Phänomen „Biotattoos“

Man staunt immer wieder! Das ganze Netz ist voll von Werbungen und Angeboten in Sachen „Biotattoos“, „Timetattoos“ und ähnlichen erschreckenden Beschreibungen für eine Angelegenheit, die eigentlich nicht funktioniert. Man soll nicht glauben, daß die Aufklärung der speziellen Fachpresse rund um das Tätowieren schon Fuß gefasst hat. Nein! Vielmehr nimmt diese Form von „Hautillustration“ in solchem Maße überhand an, daß man am liebsten wegrennen möchte. Nagelstudios und Friseure werben wie die Wahnsinnigen für diese Angelegenheiten als hätten sie da für sich eine neue „Marktlücke“ entdeckt. Soweit wie ich mich daran erinnern kann, fing dieser ganze Schwachsinn mit einer kleinen Wette bei „Wetten, dass…?“ an, bei der der damalige Moderator Thomas Gottschalk verloren hatte und sich als Gegenleistung verpflichtete, eine Tätowierung seiner Wahl auf seinen Körper setzen zu lassen. Gesagt, getan! Schnell wurde sich eine „Möglichkeit“ ausgedacht, der breiten Öffentlichkeit zu zeigen, daß die „Schlange mit Dolch/Rose“ auf Gottschalks Oberarm ja auf jeden Fall wieder verschwindet. Jahre später versteht sich… So wurde ein Ulk geboren oder sagen wir mal publik gemacht, der uns jetzt – Jahre später – immer noch beschäftigt, weil wir permanent und immer wieder in unseren Studios nach solchen Möglichkeiten der Hautillustration befragt werden. Das kann natürlich auf Dauer ganz schön nerven, wenn man jedem Einzelnen erklären muß, daß dies praktisch nicht möglich ist.

Befragt man einen Spezialisten wie den Dermatologen und Laserexperten Dr. Ch. Raulin aus Karlsruhe zum besagten Thema, erntet man ein Kopfschütteln und die Erklärung, daß es so etwas gar nicht gibt. Wiederum behaupten die „Kosmetiker“ und „Friseure“ mit diesem neuen Genre im Angebot, daß ein „Biotattoo“ nur maximal 0,04 Millimeter in die Haut gestochen wird. Und im Laufe des normalen Hauterneuerungsprozesses wird die Farbe wieder abgestoßen, bzw. abgebaut. Solcherlei Aussagen nötigen jeden Experten und Hautarzt zum Abwinken, da sich durch die normale Regeneration der Haut das Bild logischerweise bereits nach 28 Tagen entfernen würde. (2-5 Jahre?) Die Farbe „pflanzlicher Herkunft natürlich“ wird mit bestimmten Nadelkombinationen in die Haut „gerieben“, so daß die Verletzung mit einer „Schürfwunde vergleichbar wäre“. Weiterhin soll das Biotattoo die nächsten 2-3 Wochen „arbeiten“. Es kann also an manchen Stellen wieder verschwinden. Nach 2-5 Jahren soll dann das Bild durch einen natürlichen und langsamen Verblassungsprozess wieder verschwinden. Langsam? Das Wort langsam setzt voraus, daß es sich hierbei um einen langwierigen Prozess handelt. Also sieht das Bild in den angeblich 2-7 Jahren gar nicht „schön“ aus, wenn es langsam verblaßt? Also kann man von qualitativ minderwertigen Bildern reden? Die von den „Machern“ angepriesene Qualität eines „Biotattoos“ läßt in der Regel bereits beim Entstehen zu Wünschen übrig. Durch kuriose Stichtiefe und fast grundsätzliche Unwissenheit der Macher erreichen die Bilder noch nicht mal beim Entstehen die Qualität einer vergleichsweise gutgemachten professionellen Tätowierung. Sie sehen von Anfang an „alt“ aus. Die Farben sind von Anfang an blaß, unscharf und stumpf. Die Linien sind meist verlaufen und lückenhaft. Wie ein altes und schlecht gestochenes Tattoo eben! Je nach Körperstelle ist die Oberhaut unterschiedlich dick und weist unterschiedliche Eigenschaften auf. Ein gleichmäßiges Einbringen von Pigmenten in ein und dieselbe Tiefe der Haut (hier im Fall „Biotattoo“ angestrebt exakt 0,04 mm) scheint nicht nur unmöglich, sondern das ist es auch. Die Resultate der gesehenen „Biotattoos“ bestätigen das auf das Heftigste! Teils wird die Farbe abgestoßen, teils verbleibt sie in unterschiedlichen Schichten der Oberhaut, so daß wir von katastrophalen Ergebnissen reden können! Sind die Pigmente nur in die Epidermis eingebracht, bleiben sie dort nicht für 2-5 Jahre, sondern verschwinden bereits nach den oben genannten 28 Tagen. Sind sie jedoch tiefer eingestochen worden, handelt es sich bereits um eine „echte“ Tätowierung, welche nie wieder ohne eigenes Zutun weggehen wird! Die Qualität dieser Modeerscheinung ist wie gesagt so schlecht, daß jeder professionelle Tätowierer, der solch eine Arbeit abliefert, sofort als „Pfuscher“, „Scratcher“ oder Ähnlichem betitelt wird.

Der neue und alte Trend der „Biotattoos“ wird immer wieder gewiefte Geschäftemacher auf den Plan rufen, damit ihr Geld zu verdienen. „Die vergängliche Kunst am Körper“ läßt schon eine ganze Weile so einige Personen in dieser Branche profitieren, die mit Nagelstudio und Friseurgeschäft allein nicht zum erhofften Mercedes gekommen sind. Die meisten Tätowierer jedenfalls wollen mit dieser Modeerscheinung jedenfalls nicht zu tun haben und können die unglücklichen Träger ihrer Bioflecken nur zum Ersetzen durch eine richtige und professionelle Tätowierung raten oder zu einem Weg ins nächste Laserzentrum zur Entfernung.

So werben Kosmetikstudios für ihre Biotattoos Angebotsliste:

++++“Temptoos sind ein moderner Körperschmuck. Andere Ausdrücke sind Biotattoos oder Bodytattoos. Gemeint ist immer das gleiche: eine Pigmentierung von Bildern oder Zeichen auf die Haut. Anders als bei einer herkömmlichen Tätowierung wird hier eine Technik verwendet, welche nicht so tief in die Haut eindringt, so daß diese Tattoos in einigen Jahren (3 bis 5) wieder verblassen bzw. ganz verschwinden. Dies geschieht durch die natürliche Hautregeneration von ganz allein. Es lassen sich alle Arten von Bildern und Zeichnungen auf die Haut bringen, – in der Größe die Sie wollen. Bringen Sie Ihr Motiv mit, oder suchen Sie sich eines bei uns heraus.
Wir bieten eine der schonungsvollsten Methoden des Marktes an: Temptoos nach der LONG-TIME-LINER Methode. Hier können Sie sicher sein, daß Sie Ihr Temptoo nicht auf ewig behalten. Da wir auf die Farbvertraeglichkeit großen Wert legen, gibt es bei uns und bei LTL keine Farben in Gruen und Blau.++++“

„Temptoos in der LONG-TIME-LINER-Methode“ ? Was soll das sein? Weiter die nächste Anzeige:

++++“…Bio Tattoo’s werden mit einem Stift in die Haut gestochen. Durch die Stichtiefe, maximal 0.8 mm bis 1.2 mm wird das Verblassen der Tätowierung innerhalb von 3 bis 5 Jahren erreicht. Durch die normale Hautabschuppung werden die Pigmente immer heller bis sie irgendwann überhaupt nicht mehr zu sehen sind… Durch ein Gerät aus deutscher Herstellung wird das exakte Stechen dieser Tätowierungen gewährleistet…“++++“Für Bio-Tattoo´s und Permanent-Make-up werden besonders feine Pigmentiergeräte eingesetzt. Es werden ultra-dünne Linien gezeichnet, die nicht so tief in die Haut gehen. Je nach Hauttyp und Farbe halten Bio-Tattoo´s und Permanent Make-up zwischen 2 und 5 Jahren. Bei Verblassen kann jederzeit nachpigmentiert werden.“++++

Beweise? Niemand der Anbieter kann so etwas mit ärztlichen Gutachten belegen. Das ist jedoch auch nicht verwunderlich.

Auf eine Leseranfrage im TEST Heft Nr.11 November 1998 der Stiftung Warentest antwortete man eindeutig: „Ihre Skepsis ist berechtigt. Auch Hautärzte glauben nicht an vergängliche Tattoos… Wenn man den Aufbau der Haut betrachtet, ist es in der Tat schwer vorstellbar, daß ein sogenanntes Bio-Tattoo nach einigen Jahren spurlos verschwinden soll. Würde die Farbe – wie von Anbietern versprochen – nur in die äußerste Hautschicht eingearbeitet, würde sie im Zuge der Hautregeneration schon im Lauf von vier Wochen verschwinden. Abgesehen davon, daß eine längere Haltbarkeit angestrebt wird, halten es Fachleute für fast unmöglich, daß beim Einbringen des Tattoos immer nur diese ungleichmäßige, sehr schmale äußerste Hautschicht getroffen wird. Wird also – was kaum vermeidbar ist – tiefer gestochen, hält dier eingebrachte Farbe so gut wie bei klassischen Tätowierungen, nämlich ewig. Sie verblasst höchstens mit der Zeit. Entfernen lassen sich diese Tattoos dann nur noch – kosten- und zeitaufwendig – mit dem Laser. Das einzig sicher vergängliche Tattoo ist das Abziehbild. Sie sollten es Ihrer Tochter empfehlen…“ Soweit der Originalton der „STIFTUNG WARENTEST“ -Redaktion.

Endfazit ist: Die Behauptung, daß Biotattoos sich in einer Zeitspanne von 2-5 Jahren wieder auflösen, kann von Fachleuten in keiner Weise bestätigt werden. Also laßt die Hände von dubiosen Angeboten wie „BodyTimeTattoos“, weil diese nicht in Erfüllung gehen werden! Oder Ihr laßt Euch einen Vertrag unterzeichnen, in dem der Anbieter mit genauen Angaben zur Person etc. garantiert, daß das Versprochene auch wirklich eintritt (Notarielle Beglaubigung wäre natürlich extrem genial!). Ihr könnt Euch noch in diesem Vertrag eine saftige Vertragsstrafe einfallen lassen zum Beispiel in Form einer Geldsumme, wenn das angepriesene Produkt (in diesem Fall die Tätowierung auf bestimmte Zeit) im angegebenen Zeitraum nicht wieder verschwindet!

Anderseits: Wer wirklich ein „Tattoo“ tragen möchte, ohne dieses ewig sein Eigen zu nennen, der hat ja nachweislich genug andere Möglichkeiten, die ja auch schon Massenware auf dem weltweiten Markt geworden sind. Es gibt da zum Beispiel das seit Madonna populäre Henna, dann Tausende von Klebetätowierungen und Bodypainting als Schmuck für einen Abend und und und… Erkundigt Euch doch einfach mal in Eurer Bibliothek oder blättert hier weiter im WWW…

Nachtrag: Urteil zum Thema Biotattoo:

Immer wieder war in einschlägigen Medien bereits davor gewarnt worden, daß sog. „Biotattoos“, welche nach einer gewissen Zeit von selbst verschwinden, Humbug sind. Belegt wurde diese Sichtweise durch Aussagen renommierter Fachleute.
Nun hat auch die deutsche Justiz erkannt, daß „Biotattoos“ nichts weiter als eine Lüge sind. Das Amtsgericht Trier verurteilte eine „Biotätowiererin“ zu einem Schmerzensgeld i.h.V. DM 5.000,00 (Amtsgericht Trier, Aktenzeichen 7C 233/99). Eine Kundin hatte sich bei der „Biotätowiererin“ ein „Biotattoo“ stechen lassen, welches – wie nicht anders zu erwarten war – nicht verschwand. Lt. Aussage verschiedener „Biotätowierer“ wird die Farbe bei diesem Verfahren nur in die obere Hautschicht eingebracht, so daß das „Tattoo“ nach einigen Jahren wieder verschwindet. Ein Gutachter stellte nun jedoch fest, daß „Farbpigmente, die lediglich in die obere Hautschicht eingebracht seien, innerhalb von vier Wochen durch den Prozeß der Hauterneuerung völlig verschwinden würden“. Da dies in diesem konkreten Fall nicht geschah, müssen sich die Pigmente in tieferen Hautschichten befingen. Damit ist sicher, daß diese Farbpigmente nicht mehr verschwinden können.
Die Redaktion des Tattoonet und unsereiner (Nightliner Tattoo Berlin) begrüßt dieses wichtige, längst überfällige Urteil und hofft, daß damit über kurz oder lang der Humbug mit den „Biotattoos“ ein Ende haben wird.
Zwar bleibt die Frage offen, ob das der geneppten Kundin zugesprochene Schmerzensgeld für eine Laserentfernung des „Biotattoos“ ausreicht, jedoch sind wir der Meinung, daß diese Summe durchaus für ein professionelles Cover-Up reichen kann.
Weiteren Opfern der sei geraten, sich mit einem Rechtsanwalt in Verbindung zu setzen, um unter Bezug auf das o.g. Urteil ein ähnliches Verfahren anzustreben.